QR-Code-basierte Prozesssteuerung für zwei Entsorgungsunternehmen

Dieser Beitrag wurde zuletzt am 3. Mai 2017 aktualisiert.

Unser Mitglied Patrick Neis hat in kurzer Zeit bei zwei Kunden ein QR-Code basiertes System zur Prozesssteuerung von industriellen Entsorgungsprozessen eingeführt.

Einleitung

Sichere und wirtschaftliche Prozesse bedürfen einer zuverlässigen Steuerung und einer sauberen handwerklichen Ausführung. Im vorliegenden Artikel wird die Entstehungsgeschichte von QR-Codes und der RFID-Technik geschildert und anhand eines Praxisbeispiels die Einführung eines QR-Code basierten Systems zur Prozesssteuerung in der Industrie erläutert. Ergänzend wird ausgeführt, unter welchen Rahmenbedingungen QR-Code oder RFID basierte Systeme wirtschaftlich sind. Es wird gezeigt, dass der Einsatz von QR-Codes – insbesondere für den Mittelstand – eine kostengünstige Alternative zu RFID-Codes darstellen.

Verwendung von QR-Codes

Vor mehr als 20 Jahren wurden QR-Codes für die Produktionssteuerung von japanischen Automobilzulieferern entwickelt um im laufenden Produktionsprozess nützliche Informationen direkt an den Werkstücken verfügbar zu machen. QR-Codes sind zweidimensionale Weiterentwicklungen der eindimensionalen Barcodes (Strichcodes), die bereits Ende der 40er Jahre erfunden wurden. Barcodes stellen digital lesbare und verarbeitbare Informationen – meist in Form von einfachen Aufklebern – zur Verfügung. Mit der Einführung der effizienteren QR-Codes in der Automobilindustrie sollten die Prozesskosten gesenkt und gleichzeitig die Qualität verbessert werden.

Heute sind ein- und zweidimensionale Barcodes omnipräsent. Das technische Konzept hat sich seit den 90er Jahren wenig geändert, aber seine Einsatzmöglichkeiten haben sich, auch dank günstig verfügbarer Endgeräte und einer weltweiten Vernetzung von Daten, deutlich erhöht. So können wir heute im Supermarkt mit dem Mobiltelefon die Codes von Produkten lesen, etwa um Preise im Internet zu hinterfragen oder die Waren mit Listen über mögliche Schadstoffe abzugleichen.

RFID Transponder werden heute beispielsweise in Kreditkarten, als Warensicherungssysteme, in Skipässen oder als Wegfahrsperren verwendet.

Ursprünglich wurden sie bereits im 2. Weltkrieg für militärische Zwecke zur Freund-Feind-Erkennung entwickelt. Sie verfügen – je nach Bauart – über ein noch größeres Speichervermögen als QR-Codes und können im Verlauf eines Prozesses auch Informationen abspeichern und ändern (siehe unten den Vergleich QR-Code vs. RFID). Beide Verfahren wurden für die Übertragung von Informationen geschaffen, QR-Codes arbeiten auf Basis einer optischen Erkennung, RFID mittels Funkwellen. Handelsübliche Lesegeräte können meist beide Technologien lesen, und so hängt es von der individuellen Anforderung ab welche Technologie ein Unternehmen nutzen will.

Einführung im Mittelstand

In diesem Erfahrungsbericht wurden zwei Spezialentsorger und Tochterunternehmen eines skandinavischen Konzerns in kürzester Zeit mit QR-Code-basierten Trackingsystemen ausgestattet.

Die Auftraggeber haben sich bewusst für den Einsatz von QR-Codes und gegen RIFD entschieden um die Prozesse einfach zu gestalten und auch über die Unternehmensgrenzen hinweg die Technologie ohne hohe Rüstkosten einsetzen zu können.

Bei den Entsorgern werden im Verlauf der mehrstufigen Prozesse gefährliche Werkstücke in ihre Einzelbestandteile zerlegt und schließlich vernichtet. Die Variantenvielfalt ist hoch, die Planungs- und Steuerungsaufwände nehmen hierfür viel Zeit in Anspruch. Zusätzlich muss jeder Prozessschritt aus Sicherheits- und Abrechnungsgründen einzeln nachgewiesen werden. Da es sich um Gefahrgut handelt, soll künftig in Echtzeit ein Status der Arbeitsschritte und Lagerorte pro Werkstück verfügbar sein – die bisherige Nachweisführung basiert dagegen lediglich auf manuellen Aufschreibungen ohne die Möglichkeit einer Verfolgung in Echtzeit. Schließlich liefert ein lückenloses Tracking der Entsorgungsschritte auch fundamentale Informationen zur Verbesserung der Abläufe. So ergeben bereits Messungen in der Anlaufphase eine Senkung der Kosten für die Nachweisführung zwischen 20 und 30 Prozent, hinzu kommen qualitative Aspekte wie die deutlich verbesserte Sicherheitslage in der Entsorgung. In der Vergangenheit wurden oftmals Gefahrgüter langwierig an ihren vermuteten Lagerorten gesucht weil keine aktuellen Standortinformationen verfügbar waren.

Mit dem neu eingeführten System ist ein Paradigmenwechsel gelungen, der über die technischen Herausforderungen auch Veränderungskompetenz im Umgang mit den betroffenen Mitarbeitern notwendig gemacht hat. Die neue Transparenz entlastet zwar von lästigen Schreib- und Suchtätigkeiten, führt aber zu einer gläsernen Organisation, die bei den Mitarbeitern nicht nur Zustimmung findet.

Die Münchener Unternehmensberatung hat in Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Softwareanbieter die bestehenden Prozesse abgebildet sowie schnell und kostengünstig eine vollständige Lösung erarbeitet. Die Hardwarekomponenten nutzen das Betriebssystem Android, hierfür steht ein großer Markt an Systemkomponenten wie die Lesegeräte (Scanner) zur Verfügung. Die Erstellung und Nutzung von QR-Codes (es werden die etwas effizienteren DataMatrix-Codes verwendet) ist lizenzfrei und verursacht keine zusätzlichen Kosten.

Genauso wichtig wie der Aufbau der technischen Infrastruktur ist der Aufbau der intellektuellen Infrastruktur, der einher geht mit dem Veränderungsprozess in allen Entsorgungsschritten. Neben der frühzeitigen und offensiven Information zu den geplanten Veränderungen hat sich auch die Einbindung der Mitarbeiter in die Planung und Einführung als äußerst hilfreich erwiesen. Das neue Verfahren wird damit Teil des eigenen Know-hows und die hohen Effizienzvorteile sichern die langfristige Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens ab. Die Angst vor zu großer Transparenz am Arbeitsplatz weicht der Genugtuung über die Entlastung von eintönigen und fehleranfälligen Schreibarbeiten sowie der Faszination über die Möglichkeiten der neuen Technik, die mit der Umsetzung bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind.

Verwirklichung von Industrie 4.0

Schließlich wurde mit der Umsetzung bei den Entsorgungsunternehmen ein Grundgedanke von „Industrie 4.0“, die Intelligenz der Werkstücke und die Integration und Digitalisierung von Geschäftsprozessen auch über die Grenzen des Unternehmens hinweg, in wesentlichen Teilen umgesetzt: Bereits vor den Werkstoren bei den Auftraggebern der Entsorgungsunternehmen sowie an externen Lagerstätten werden heute die Produkte digital erfasst, mit Barcodes versehen und in der Folge mit jeder Verlagerung getrackt. Die Verwendung der Barcodes setzt sich bis zum Abschluss der Entsorgung – ob hausintern oder bei externen Partnern – fort. Zusätzlich kennt das Werkstück seinen Weg durch den Prozess, was die Prozesssicherheit erheblich verbessert.

Im der hier aufgeführten Sicht erlauben neue Steuerungsinstrumente wie etwa der aktuelle Blick auf die Lager- und Bearbeitungsstände in Excel eine komfortable Steuerung und sparen somit Zeit und Ressourcen.

Rahmenbedingungen einer  erfolgreichen Umsetzung

Welche Rahmenbedingungen müssen generell erfüllt sein um einen hohen Nutzen durch Prozessverbesserungen mit Barcodes oder RFID-Transpondern zu erzielen?

Sehen wir uns zunächst die Rüstkosten an, so vermutet man, dass für vollkommen individuelle Prozesse im Unternehmen schwerlich die Einmalaufwände für das System rechtfertigen können. Aber bereits im handwerklichen Bereich und erst recht bei der Produktion von Kleinserien kann der Einsatz dieser Technik lohnenswert sein, etwa für die Kalkulation von verursachungsgerechten Stückkosten oder die Verfolgung von Produktionsschritten. So kann selbst bei individuellen Prozessen z.B. bei der Nutzung eines Maschinenparks ein Barcode basiertes System wirtschaftlich betrieben werden. Eine Manufaktur beispielsweise, die für die mehrstufige Bearbeitung von Werkstücken Spezialmaschinen nutzt, kann das Werkstück bei jedem Bearbeitungsschritt einbuchen und mit Abschluss der Nutzung ausbuchen und aufwandsgerechte Kalkulationen erstellen.
Zusätzlich – das Potential sollte nie außer Acht gelassen werden – können die damit gewonnenen Steuerungsinformationen Aufschluss über sinnvolle Prozessverbesserungen und Infrastrukturinvestitionen geben, Prozesskostenkalkulationen werden unterstützt.

Die Rüstkosten sind abhängig von der vorhandenen Infrastruktur, sie können z.B. bei zwölf Bearbeitungsstufen für eine leistungsfähige Grundausstattung mit etwa 100 bis 150 T€ veranschlagt werden, hinzu kommen die Personalkosten für das Betreiben und Lizenzkosten für die individuelle Softwarelösung.

Die Gesamtkosten teilen sich dann zu je einem Drittel in Einmalaufwände für Hardware und Software, Beratung und die laufenden Kosten auf. Rechnet man mit Einsparungen von 20 Prozent in Produktion und Logistik, kann bei nur 15 Mitarbeitern bereits nach zwei Jahren eine Amortisation erreicht sein. Bei einer höheren Mitarbeiterzahl dürfte sich der zu erwartende Nettoertrag noch verbessern. In dieser rein monetären Berechnung wurden qualitative Verbesserungen wie Flexibilität, Prozesssicherheit, Nachweisfähigkeit aber auch interne Personalaufwände für das Einführungsprojekt noch nicht berücksichtigt.

Folgende Kriterien sprechen für die Wahl von QR-Code oder RFID-basierten Steuerungssystemen:

  • Organisation der Abläufe etwa in repetitive Prozesse oder Kleinserien (Logistik, Produktion aber auch Dienstleistungen etwa im Gesundheitswesen)
  • Mehrstufigkeit von Verfahren (drei bis n-Stufen)
  • Variantenvielfalt (wechselnde Vorgehensweisen in Abhängigkeit von Bestellungen oder anderen individuellen Merkmalen)
  • notwendige Flexibilität der Arbeitsprozesse (etwa bei hoher Auslastung um „Bottlenecks“ zu vermeiden)
  • hohe Bedeutung der Prozesssicherheit (Qualität, Sicherheit z.B. bei einer Chargenproduktion in der chemischen Industrie, Einhaltung von Normen)
  • Steuerung durch den Prozess (bei komplexen Prozessen oder ungelernten Arbeitskräften)
  • Dokumentations- und Nachweispflichten
  • Steuerungs- und Optimierungsbedürfnisse

Vereinfacht lässt sich sagen: Je wichtiger eins oder mehrere der aufgezeigten Kriterien sind, desto sinnvoller ist der Einsatz einer entsprechenden Technologie. In Abhängigkeit der Anforderungen muss auch die Entscheidung bezüglich der Nutzung von QR-Codes vs. RFID-Transpondern getroffen werden. Falsch ist sicherlich die Haltung Barcodes seien überholt und können durch RFID-Transponder ersetzt werden. Der 2D-Barcode erfährt aktuell durch seine Einfachheit und der großen Auswahl an günstigen Endgeräten eine Renaissance.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass bereits in kleineren Manufakturen die Nutzung von QR-Codes oder RFID-Technik wirtschaftlich sein kann.Im industriellen Bereich von Fertigung und Logistik aber auch bei repetitiven Dienstleistungsprozessen ist die Technik nicht mehr wegzudenken. Um den Nutzen noch weiter zu erhöhen, sollte bei der Planung der Einführung auch immer betrachtet werden inwiefern externe Prozesse bei Zulieferern und Abnehmern eingebunden werden können um die Möglichkeiten durchgängiger Prozesse auszuschöpfen. Dabei sollte der Nutzen einer Einführung immer im Kontext der gesamten Wertschöpfungskette ermittelt werden.Weitgehend unbetrachtet blieben in diesem Artikel die weiterführenden Möglichkeiten, die sich aus der neuen Technik noch ergeben: So werden etwa in Zukunft bei den dargestellten Unternehmen automatisierte Warnungen fehlerhafte Prozessschritte und gefährliche Lagerbestände vermeiden helfen um so die Prozesssicherheit weiter zu erhöhen. Denkbar sind für produzierende Unternehmen darüber hinaus zahlreiche zusätzliche Services für Kunden und externe Partner analog einer Paketverfolgung für die Kunden eines Logistikunternehmens zum Paketstatus oder einer Information des Autokäufers zum Status seiner PKW-Produktion.

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Zeitraum: Dezember 2015 bis Juni 2016