Dieser Beitrag wurde zuletzt am 4. Dezember 2025 aktualisiert.
Der Financial Time Kolumnist Richard Waters diskutiert mit dem MIT Technology Review Herausgeber David Rotman über die Auswirkungen der KI auf den Arbeitsmarkt und gibt dabei sehr aufschlussreiche Einblicke über Trends und die richtige Herangehensweise zur Umsetzung von KI in Unternehmen und anderen Organisationen.
Der Artikel analysiert die tatsächliche wirtschaftliche Wirkung von generativer KI auf Produktivität, Beschäftigung und Unternehmensorganisation – jenseits des Hypes.
Zentral ist die Diagnose: Die Einführung von KI verläuft extrem ungleich. Während in einzelnen Bereichen bereits massive Effizienzsprünge zu beobachten sind (z.B. KI-Coding-Assistants, die laut Zuckerberg bald 50% des Meta-Codes erstellen), verzeichnen 95% der generativen KI-Projekte bislang keinerlei wirtschaftlichen Ertrag. Dies wird von Skeptikern als Beweis gesehen, dass KI aufgrund ihrer probabilistischen Natur und halluzinativer Fehleranfälligkeit strukturell ungeeignet sei, Produktivität tiefgreifend zu steigern.
Die Gegenthese, vertreten u.a. von Erik Brynjolfsson, lautet: Transformative Technologien entfalten ihre gesamtwirtschaftliche Wirkung typischerweise zeitversetzt („Produktivitätsparadox“). Die Verzögerung resultiert nicht aus der Technologie selbst, sondern aus notwendigen organisatorischen Voraussetzungen: Neue Datenplattformen, Prozess-Re-Design, Kompetenzaufbau, Infrastruktur. In der IT zeigte der Produktivitätsschub der 1990er Jahre, dass jahrelange Vorinvestitionen notwendig waren, bevor Wirkung sichtbar wurde.
Für KI gilt: Der infrastrukturelle Unterbau (Cloud, Mobile Computing, GPU-Kapazitäten) existiert heute bereits. Theoretisch könnte der Produktivitätsboom schneller eintreten als in früheren Technologiezyklen. Erste Makrodaten weisen darauf hin: Nach über 15 Jahren stagnierender Produktivitätsraten von 1–1,5% liegt der US-Wert aktuell bei über 2%. Unklar bleibt jedoch, wie stark KI dafür ursächlich ist und wie nachhaltig dieser Trend ist.
Zugleich wird ein gegenläufiges Argument angeführt: Trotz Digitalisierung, Smartphones, Plattformökonomie und Automatisierung blieb seit den 2000ern eine echte gesamtwirtschaftliche Produktivitätsbeschleunigung aus. Die Hypothese: Digitale Technologien konzentrierten sich zu selten auf die Kernsektoren mit größtem wirtschaftlichem Volumen – Industrie, Pflege, Bildung, Logistik, Verwaltung. KI-Modelle werden primär für Chatbots und Kreativfunktionen optimiert, kaum jedoch für operative produktivitätskritische Tätigkeiten.
Daron Acemoglu warnt davor, dass KI-Investitionen derzeit zu eng ausgerichtet sind. Die dominierenden Foundation-Models lösen zwar kognitive Aufgaben, adressieren aber selten die Bereiche, in denen Millionen Erwerbstätige realen Produktivitätswert erzeugen. Die Gefahr: KI dient kurzfristig als Kostensenkungs- und Entlass(t)ungsinstrument, anstatt neue Wertschöpfungsformen und Qualifikationsanstiege zu ermöglichen. Produktivitätsgewinne entstehen jedoch nicht durch Substitution menschlicher Arbeit, sondern durch Ergänzung (Augmentation) und Qualifikationsverstärkung.
McKinsey vertritt dagegen ein optimistischeres Modell: Rund 60% heutiger Tätigkeiten könnten KI-basiert transformiert werden, was langfristig zu gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsgewinnen von bis zu 3,4% pro Jahr führen könne.
Am Ende steht ein ambivalentes, aber zukunftsoffenes Bild: Wir befinden uns in der investitions- und friktionsreichen Vorphase. Die ökonomische Singularität – verstanden als strukturelle Verschiebung von Wertschöpfung, Arbeit und Kapital – ist nicht ausgeschlossen, aber keineswegs garantiert.
Handlungsempfehlungen für Unternehmensberater und Manager

- Produktivitätsrealisierung vor Showcase-Piloten
Der Artikel bestätigt: Ein hoher Prozentsatz der KI-Pilotierungen liefern (zunächst) keinen ROI.
Empfehlung:
– nur Projekte mit messbarem Werttreiber starten (z.B. Durchlaufzeitreduktion, Fehlerraten, Servicekosten)
– KPI-Struktur vor Projektstart definieren - Datenplattformen und Prozessdesign priorisieren
Technologie allein erzeugt keine Wirkung.
Erforderlich:
– Bereinigung und Zusammenführung von Datenquellen
– Standardisierte Datenpipelines
– End-to-End-Prozessanalyse und Re-Design vor Automatisierung - Nicht Substitution, sondern Augmentation als Leitprinzip
Kostensenkung durch Stellenabbau führt nicht zu Produktivitätswachstum, sondern beschleunigt lediglich Deflation.
Empfehlungen:
– KI-Coachings für Fachpersonal auf Station, Produktion, Kundenservice
– Fokus auf menschlich-technische Arbeitsteilung („AI-assisted roles“) - KI in produktionsnahen und systemkritischen Sektoren einsetzen
Das größte Potenzial liegt nicht im Office-Text- oder Präsentationsbereich, sondern in:
– Fertigung (Qualitätskontrolle, Predictive Maintenance)
– Pflege und Klinikbetrieb (Dokumentationsentlastung, Triage-Assistenz)
– Schule und Bildung (Korrektur-Assistenz, Förderdiagnostik)
– Logistik (Routing, Lagerautomatisierung) - Sektor-spezifische KI statt generischer Foundation-Modelle
Generative Modelle sind nicht für Industrieprozesse optimiert.
Maßnahmen:
– Domänenfeintuning auf realen Produktions- und Servicedaten
– Aufbau kleiner, erklärbarer Modelle pro Fachbereich
– Sicherer Umgang mit vertraulicher Betriebs- und Maschinendatenbasis - Transformation als mehrjährige Strukturreform begreifen
Der Artikel zeigt: Transitionsphasen dauern Jahre.
Verpflichtend:
– KI-Roadmap 24–48 Monate
– Kosten- und Kompetenzplan
– klare Verantwortlichkeiten (CIO, CDO, KI-Programmleitung) - Kompetenzaufbau wird zentraler Produktivitätstreiber
Technische Kompetenz ohne Geschäftsprozesswissen bleibt wirkungslos.
Zielbild:
– funktionsspezifische AI-Up-/Reskilling Tracks (nicht generische Schulungen)
– Prozessverantwortliche als KI-Produktowner - Human-Centered AI als Wettbewerbsfaktor
Unternehmerische Zielgröße:
nicht „Arbeitskräfte ersetzen“, sondern „Arbeitskraftwert erhöhen“.
Beispiele:
– Diagnoseassistenz statt ärztlicher Substitution
– operative Produktionsbegleitung statt Werker-Reduktion
– Service-Augmentation statt Callcenter-Abbau
Implikationen für das Management
– KI-Programme müssen als Organisationsumbau verstanden werden, nicht als Technologieeinführung.
– Produktivität entsteht erst, wenn KI systemrelevant in Wertschöpfungskerne integriert wird.
– Die strategische Aufgabe des Managements ist die Priorisierung echter Transformationsfelder, nicht die Beschaffung einzelner Tools.
Schlussfolgerung
Der Artikel positioniert KI in einer entscheidenden Übergangsphase: Zwischen Hype und struktureller Neuausrichtung. Unternehmensleitungen und Berater sind gefordert, KI außerhalb des Präsentations- und Textkosmos zu denken und als Infrastrukturwende zu begreifen. Der Produktivitätsboom ist möglich, aber nur, wenn KI dort eingesetzt wird, wo reale Wirtschaft stattfindet – in Industrie, Daseinsvorsorge, Bildung, Logistik und Versorgungssystemen.
Unser Mitgliedsunternehmen Project Management Partners fokussiert exakt auf diese Widersprüche und sieht die KI-Einführung nicht als „anekdotisches“ Umsetzen von verlockenden Use-Cases, sondern als Transformationsprozess, der strukturiert geplant und umgesetzt werden muss:
Mit der KI-Toolsuite ist genau das möglich, da von Beginn an systematisch die KI-Reife anhand von klaren Kennzahlen entwickelt wird und nicht der reine Fokus auf der Umsetzung von Use Cases liegt. Buchen Sie einen Termin für eine kostenlose Produktvorstellung.
Quelle
- https://www.technologyreview.com/2025/12/01/1127872/the-state-of-ai-welcome-to-the-economic-singularity/ (abgerufen am 04. Dezember 2025 um 11:30 Uhr)
