Der Mittelstand kommt bei der Digitalisierung nicht hinterher

Dieser Beitrag wurde zuletzt am 1. Mai 2022 aktualisiert.

Die Bertelsmann Stiftung beschäftigt sich in zwei Artikeln mit der nachlassenden Entwicklung der Produktivität in Deutschland, die insbesondere weniger innovative Unternehmen trifft.

Die schwächelnde Produktivität müsse wieder stärker steigen – nicht nur für wenige, sondern in der Breite. Damit könne Deutschland wettbewerbsfähig bleiben und „Wachstum für alle“ wieder gelingen.

Armando Garcia Schmidt von der Bertelsmann-Stiftung, warnt, dass vor allem kleinere und mittlere Unternehmen abgehängt werden könnten: „Wir laufen in eine doppelte Produktivitätskrise hinein“. Die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen sei im zurückliegenden Jahrzehnt um durchschnittlich weniger als ein Prozent pro Jahr gestiegen. Das sei problematisch, wenn angesichts des demografischen Wandels künftig weniger Erwerbstätige Wohlstand und Renten erwirtschaften müssen (=> Wie wir aus weniger mehr für alle machen).

Kurzum: Deutschland brauche eine Agenda für Produktivität und Teilhabe – wirtschaftspolitische Maßnahmen, die auf Produktivitätssteigerungen in der Breite und somit Wachstum und Teilhabe zugleich einzahlten. Das Projekt setzt das Produktivitätswachstum auf die wirtschaftspolitische Agenda und erarbeitet Handlungsoptionen, die Produktivität und Teilhabe gleichermaßen erhöhen. Die Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung konzentrieren sich auf drei Bereiche, in denen Handlungsbedarf besteht:

– Wettbewerbspolitik: Die zunehmende Unternehmenskonzentration hemmt die gesamtwirtschaftliche Produktivität – viele Firmen, Branchen und Regionen halten im digitalen Wettbewerb nicht mehr mit. Wirtschaftspolitik kann hier einen modernen und gleichzeitig wettbewerbsfördernden Rahmen schaffen, der Anreize für mehr Produktivitätswachstum setzen kann.

– Investitionspolitik: Veraltete Anlagen und Lücken in der (digitalen) Infrastruktur gefährden Wachstum und Teilhabe. Vor allem der deutsche Mittelstand investiert nicht ausreichend in sogenanntes „Wissenskapital“, einem zentralen Treiber der Produktivität. Es braucht Strategien und Instrumente für mehr öffentliche und private Investitionen, die Teilhabe und Produktivität steigern.

– Innovationspolitik: Produktivitätswachstum braucht Innovationen in der Breite. Die Verzahnung von Unternehmen, Forschung und Gründern konzentriert sich jedoch auf einige Zentren; in strukturschwachen Regionen und vielen Branchen liegt das Innovationssystem brach. Ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel kann Deutschland zu einem starken Innovationsstandort machen – und alle Beschäftigten, Firmen und Regionen dabei besser einbinden.

Produktivität sei für die Bewältigung der schlechten Entwicklung die zentrale Kenngröße. Die deutsche Wirtschaft ist in den vergangenen Jahren insgesamt kaum produktiver geworden. Doch das ist nicht das einzige Problem. Denn das Wachstum der Produktivität schwächelt nicht nur, es verteilt sich auch zunehmend ungleich: Große Unternehmen hängen kleine und mittlere Unternehmen ab, dynamische Regionen lassen weniger starke Regionen immer weiter hinter sich zurück. Haupttriebkraft ist die Digitalisierung: Anders als bei vielen der technologischen Entwicklungen der vergangenen 100 Jahre, sind die Anforderungen der Digitalisierung für viele, vor allem kleinere Unternehmen, so hoch, dass sie nicht mehr mitkommen. Sie investieren nicht, oder kaum mehr in ihr Wissenskapital, ziehen sich aus dem Innovationsgeschehen zurück und adaptieren auch keine neuen (digitalen) Technologien in ihre Prozesse und Geschäftsmodelle. Produktivität wächst unter diesen Voraussetzungen nicht mehr.  Produktivität muss wieder stärker steigen – vor allem im Bezug auf unseren Ressourceneinsatz und nicht nur bei wenigen Spitzenunternehmen in Großstädten.

Was der Wirtschaftsstandort Deutschland braucht, ist tatsächlich ein Aufbruch, der die deutsche Wirtschaft produktiver werden lässt und zugleich auf ein inklusives Wachstum abzielt. Produktivität muss vor allem wieder in der Breite wachsen – in der Breite der Unternehmenslandschaft und in allen Teilen des Landes. So werden Teilhabe- und Beteiligungschancen, so wird Wohlstand gesichert. Nur auf dieser Grundlage kann aber auch ein echtes Umsteuern in Richtung eines nachhaltigeren Wirtschaftsmodells gelingen, das uns auch ein Höchstmaß von Produktivität im Umgang mit den natürlichen Ressourcen abverlangen wird.

Wo genau angesetzt werden kann und wie es funktionieren kann, Produktivitätswachstum inklusiv zu gestalten – die “Agenda für Produktivität und Teilhabe” liefert Antworten in acht Handlungsfeldern.