Kooperation muss sein – besonders im Mittelstand

Dieser Beitrag wurde zuletzt am 11. November 2020 aktualisiert.


Digitalisierung bedeutet eine enorme Zunahme an erfolgsrelevantem Wissen und fast zwangsläufig auch eine Zunahme individueller Wissenslücken. Eine an sich banale Erkenntnis, der jedoch meist weder durch eine Anpassung individueller noch organisatorischer Verhaltensmuster ausreichend Rechnung getragen wird. Zusätzlich sind auch Änderungen elementarer Schlüsseltugenden – wie etwa des Führungsverhaltens – notwendig um mit den geänderten Rahmenbedingungen nutzbringend umgehen zu können.
Kurz: Veränderungen und Wissensaufbau erfordern neue Routinen, deren Aufbau und Einübung teuer und langwierig sind. Verständlich, dass insbesondere mittelständische Unternehmen dabei oftmals strategische Nachteile haben. Während nämlich große Unternehmen viel erforderliches Know-how im eigenen Unternehmen aufbauen können oder extern beschaffen, müssen kleinere Unternehmen mit engeren Budgets durch gezielte Kooperationen mit komplementären Partnern die eigenen Lücken schließen und Wissen teilen.

Initiative Maschinenraum

Wie das etwa für die Entwicklung neuer, digitaler Geschäftsmodelle funktionieren kann, zeigt die Initiative Maschinenraum, die auf Initiative von Maximilian Viessmann größere Mittelständler mit gemeinsamen Zielen zusammenbringt:

  • Erleben & Vernetzen
  • Teilen & Lernen sowie
  • Umsetzen & Kollaborieren

Das Handelsblatt hat sich den Maschinenraum angeschaut und resümiert: “Soll man ein Start-up kaufen, mit einem kooperieren oder ein eigenes hochziehen? Oder ist vielleicht eine Kooperation mit anderen Mittelständlern die beste Lösung? All diese Fragen lassen sich aber in jedem Fall besser beantworten, wenn man sich vorher mit anderen Mittelständlern ausgetauscht hat. Der ‘Maschinenraum’ will auch dabei helfen, die Ergebnisse der jeweiligen Überlegungen systematisch aufzuarbeiten.

Digitale Geschäftsmodelle

Der langfristige Nutzen von reinen Effizienzsteigerungen im meist niedrigen, einstelligen Bereich ist angesichts großer Veränderungen wenig hilfreich. Neue und digitale Geschäftsmodelle gelten heute als die Königsdisziplin, versprechen sie neue Umsätze mit hohen Margen durch Innovation und neue Kunden.
In einer groß angelegten Studie von Familienunternehmen der WHU Otto Beisheim School of Management unter der Leitung von Prof. Dr. Nadine Kammerlander und mit Unterstützung der Beratungsgesellschaft ANDERSCH wurde untersucht, wie der aktuelle Status der Digitalen Transformation heute in diesem Unternehmenssegment zu bewerten ist. Für die Studie wurden 1.727 Top-Entscheider aus 1.444 Unternehmen befragt, davon 689 Unternehmen in mehrheitlichem Familienbesitz und 755 im Nicht-Familienbesitz. Demnach erkennen 87 Prozent der befragten Unternehmen Neues, aber nur 43 Prozent sagen, dass sie auch in der Lage sind, dies adäquat zu nutzen.

Studie zur Innovationsfähigkeit deutscher Familienunternehmen

Die Leiterin der Studie resümiert: “Die Schlussfolgerungen, die diese Daten ermöglichen, sind besonders für diese (Corona) Krise ernüchternd. Schon zuvor war eine Fokussierung auf die Verbesserung von Effizienz kritisch zu hinterfragen. (…) Um aus dieser Krise zu kommen, bedarf es für viele nicht nur schmerzhafter Einschnitte im Jetzt – sondern vor allem viel Mut und Selbstvertrauen in der Zukunft. Dazu reicht es nicht aus, Neuerungen zu erkennen. Sondern Unternehmen müssen jetzt die strukturellen und prozessualen Möglichkeiten schaffen, diese Innovationen dann auch konsequent in Richtung Markt umzusetzen.”

Ein wichtiger Schritt in die Zukunftsfähigkeit und eine klare Empfehlung der Forscherin ist die Kooperation mit anderen Unternehmen, vor allem mit Start-ups, deren Lebenszweck es sei, bahnbrechende Innovationen zu erzeugen. Kammerlander ist daher der Ansicht: „Wer nicht kooperiert, stirbt.“ Dies sei eine Überlebensfrage. Schließlich sei auch die Corona-Krise eine bahnbrechende Veränderung: „Es ist ein tieferer Einschnitt mit unklarem Verlauf“.

Daher werde es, so Kammerlander, in den kommenden Jahren sehr viel mehr „Varianz“ bei den Familienunternehmen geben. Also mehr solche, denen es gut gehen und mehr solche, denen es schlecht gehen werde. Dabei hält Nadine Kammerlander auch das Konzept, ausschließlich als Hidden Champion im verborgenen B2B-Geschäft zu glänzen für langfristig „gefährlich“. Wer innovative Mitarbeiter und Kooperationspartner anziehen wolle, müsse visibler werden, ist sie überzeugt. Sie habe durchaus in ihren Studien gesehen, wie innovativ Familienunternehmen bislang waren. Aber auch, dass die manchmal jahrhundertelange Geschichte von Familienunternehmen trotzdem „kein Indiz fürs Überleben“ sei. Den Weckruf durch die Corona-Krise sei nicht zu überhören. Und dabei helfe sicherlich etwas, wofür Familienunternehmen durchaus bekannt sind: Erfahrung und schnelle Entscheidungswege.

Barrieren und Enabler des digitalen Transformationsprozesses
Quelle: Soluk J, Kammerlander N & Zöller M (2020): Digitale Transformation im Mittelstand und in Familienunternehmen. Vallendar: WHU, Institut für Familienunternehmen und Andersch AG

Die Studie nennt folgende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung

  • Unternehmen benötigen Fähigkeiten zur Einschätzung von Risiko und Veränderungsbereitschaft sowie Kapazitäten zur Implementierung neuer digitaler Initiativen.
  • Trotz ausreichend vorhandener unternehmerischer Fähigkeiten können sich interne Barrieren ergeben, bspw. durch ein starres Festhalten an bestehenden Strukturen. Der gezielte Einsatz von „Enablern“, wie einer klaren Digitalisierungsstrategie, hilft Barrieren zu überwinden und trägt zu einer erfolgreichen Transformation bei.
  • Stetige Weiterentwicklungen stehen im Zentrum der erfolgreichen Transformation. Daher sind Lernprozesse im Unternehmen unabdinglich.
  • Die Förderung von Innovationen muss sich übergreifend auf Prozesse, Produkte, Dienstleistungen und das Geschäftsmodell richten, um so eine erfolgreiche Positionierung für die Zukunft zu schaffen.
  • Zur stetigen Weiterentwicklung zählt auch die zunehmende Einbindung von Zukunftstechnologien, wie Lösungen, die auf künstlicher Intelligenz beruhen oder Applikationen basierend auf virtuellen Realitäten. Diese werden sich verstärkt auf verschiedene Geschäftsbereiche auswirken.

Die Studie der WHU kann hier kostenlos als PDF heruntergeladen werden.