OECD prüft Leistungsindikatoren von KI – Strategie für KMU

Dieser Beitrag wurde zuletzt am 2. Juli 2025 aktualisiert.

Warum die neue OECD-Studie ein Weckruf für Manager ist, in Fähigkeiten statt einen Hype zu investieren

Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Spielregeln – das merken wir jeden Tag. Doch KI ist nach einer Benchmark-Studie der OECD bezüglich neun menschentypischen Capability-Indikatoren (z. B. Sprache, Problemlösen, Kreativität, Metakognition) nur mittelmäßig. Manager, die nach einem Grund für ein „Weiter So“ suchen, muss ich dennoch enttäuschen: Strategisches Denken und Investieren ist das Gebot der Stunde.

Während die mediale Aufregung von Superintelligenz, Massenentlassungen oder grenzenloser Automatisierung spricht, fehlt es in den Unternehmen oft an einem klaren, faktenbasierten Verständnis darüber, wo KI heute wirklich steht, welche Kosten und welcher Nutzen zu erwarten ist – und wie man sinnvoll darauf reagieren sollte.

Mit den OECD AI Capability Indicators liegt nun erstmals ein wissenschaftlich fundiertes, praxisrelevantes Rahmenwerk vor, das uns hilft die Fähigkeiten der KI besser einschätzen zu können. Es zeigt (wenig überraschend): Wir stehen nicht am Ende, sondern am Anfang der KI-Revolution – und Unternehmen haben jetzt die Chance, sich strategisch zu positionieren, statt blind zu investieren oder – vielleicht noch schlimmer – passiv zu bleiben.


Was misst die OECD – und warum ist das relevant für Unternehmen?

Die OECD vergleicht KI nicht anhand technischer Benchmarks oder Output-Metriken, sondern stellt die Frage: Wie weit sind KI-Systeme in zentralen menschlichen Fähigkeiten? Untersucht werden unter anderem:

  • Sprachverständnis und -produktion
  • Soziale Interaktion
  • Problemlösen und logisches Denken
  • Kreativität
  • Metakognition und kritisches Urteilsvermögen
  • Lernen und Gedächtnis
  • Visuelle und motorische Fähigkeiten
  • Robotische Intelligenz

Alle Fähigkeiten werden auf einer Skala von 1 (elementar) bis 5 (menschliche Äquivalenz) eingeordnet. Und das Ergebnis ist aufschlussreich: Selbst die besten KI-Systeme, wie etwa GPT-4o (Stand Herbst 2024!), erreichen lediglich maximal Level 3 – oft sogar nur Level 2. In vielen Bereichen sind sie schnell, aber nicht verlässlichsprachgewandt, aber nicht kritischlernfähig, aber nicht anpassungsfähig.

FähigkeitStufe (1–5)Beschreibung
Sprache3Semantisches Verständnis, Mehrsprachigkeit, logisches Denken, aber noch schwache Argumentation.
Soziale Interaktion2Basisemotionen erkennbar, einfache Anpassungen, keine echte soziale Wahrnehmung oder Embodiment.
Problemlösen2Fähigkeit zu qualitativer Modellierung, aber brüchig bei komplexer oder sozialer Problematik.
Kreativität3Generiert neue Kombinationen und Transferleistungen, jedoch meist im Rahmen des Trainingskorpus.
Metakognition / kritisches Denken2Grundlegendes Monitoring eigener Leistung, aber keine echte Selbstreflexion oder Bewertung.
Wissen, Lernen & Gedächtnis3Kontextsensitives Lernen, jedoch ohne kontinuierliches Lernen oder Interaktion mit der Welt.
Visuelle Wahrnehmung3Robust bei moderaten Variationen; scheitert bei starker Kontextveränderung oder Rückkopplung.
Manipulation2Funktioniert in strukturierten Umgebungen; noch keine Anpassung an komplexe, dynamische Szenarien.
Robotische Intelligenz2Automatisierung einfacher Abläufe möglich, keine komplexe Interaktion mit Menschen oder Umwelt.

Wo KI dem Menschen weit überlegen ist – und warum genau dort ihr Einsatz besonders lohnt

Trotz aller berechtigten Einschränkungen und Unschärfen zeigt die OECD-Analyse auch sehr deutlich: In bestimmten Teilbereichen übertrifft KI den Menschen heute bereits deutlich – mit klar messbarem Nutzen für Unternehmen. Besonders stark ist KI in folgenden Fähigkeiten:

1. Verarbeitung großer Datenmengen in Echtzeit

KI-Systeme – insbesondere Machine-Learning-Modelle und moderne Large Language Models – können in Sekundenschnelle Millionen von Datensätzen analysieren, klassifizieren und auf Muster prüfen, die ein Mensch weder erkennen noch in sinnvoller Zeit auswerten könnte.

Typische Einsatzfelder:

  • Anomalieerkennung in Produktionsdaten (z. B. Predictive Maintenance)
  • Echtzeit-Analyse von Markt- oder Preisdaten
  • Auswertung großer Textmengen (Verträge, Gutachten, Support-Anfragen)

Nutzen:

  • Frühzeitige Risikoerkennung
  • Schnellere Entscheidungsfindung
  • Reduzierung manueller Analysearbeit

2. Automatisierung repetitiver, regelbasierter Aufgaben

KI ist bei streng definierten, sich häufig wiederholenden Tätigkeiten schneller, fehlerfreier und kostengünstiger als Menschen – insbesondere dann, wenn diese Tätigkeiten auf digital vorliegenden Informationen beruhen.

Typische Einsatzfelder:

  • Rechnungseingang und Belegverarbeitung
  • E-Mail-Kategorisierung und Beantwortung
  • Dokumentensuche, Klassifizierung, Verschlagwortung

Nutzen:

  • Einsparung von Personalressourcen für monotone Aufgaben
  • Erhöhung der Prozessqualität
  • Entlastung qualifizierter Fachkräfte für wertschöpfende Tätigkeiten

3. Mustererkennung und Vorhersage in komplexen Zusammenhängen

Gerade in Bereichen mit nicht-linearen Zusammenhängen oder vielen Variablen zeigt KI ihre Stärken: Durch das Erkennen latenter Muster, Zusammenhänge und Wahrscheinlichkeiten können Entscheidungen besser unterstützt oder automatisiert werden.

Typische Einsatzfelder:

  • Nachfrageprognosen im Handel
  • Churn-Analysen im Kundenservice
  • Supply-Chain-Optimierung

Nutzen:

  • Verbesserung der Planungsgenauigkeit
  • Früherkennung von Trends und Risiken
  • Optimierung von Beständen und Ressourcen

4. Verfügbarkeit rund um die Uhr – bei gleichbleibender Leistung

Im Gegensatz zum Menschen kennt KI keine Pausen, Müdigkeit oder Motivationsprobleme. Das macht sie besonders attraktiv für 24/7-Aufgaben, etwa im Kundenservice oder Monitoring.

Typische Einsatzfelder:

  • Chatbots und Sprachassistenten
  • IT-Systemüberwachung
  • Automatisierte Berichterstellung

Nutzen:

  • Verbesserte Erreichbarkeit und Reaktionszeit
  • Gleichbleibende Qualität
  • Reduktion von Nachtschicht- oder Bereitschaftskosten

Fazit: KI ist kein Ersatz für menschliche Intelligenz – aber ein starker Partner in spezifischen Disziplinen

Dort, wo Geschwindigkeit, Umfang, Präzision oder Verfügbarkeit gefragt sind, ist KI dem Menschen bereits heute nicht nur ebenbürtig, sondern weit überlegen. Genau dort liegt der wirtschaftlich sinnvollste Einstiegspunkt:

Nicht, um Menschen zu ersetzen – sondern um sie gezielt zu entlasten und zu ergänzen.

Die Herausforderung besteht also nicht darin, überall KI einzuführen, sondern sie genau dort einzusetzen, wo ihre Stärken mit den Anforderungen der Organisation übereinstimmen. Wer diese Disziplin beherrscht, erzielt sichtbaren Mehrwert bei geringem Risiko – und legt die Grundlage für skalierbare Effizienzgewinne und strategische Differenzierung.


Was heißt das konkret für Entscheider in Unternehmen?

Es bedeutet vor allem eines: KI kann bereits viel – aber nicht alles. Und sie kann schon heute massiven Nutzen stiften, wenn man sie klug einsetzt. Aber sie erfordert auch gezielte Entscheidungen:

  • Wo lohnt sich der KI-Einsatz tatsächlich – heute, mit dem derzeitigen Reifegrad?
  • Wo sind menschliche Fähigkeiten unersetzbar – und sollten gezielt gestärkt werden?
  • Welche Investitionen bringen kurzfristigen Impact – und welche sind risikobehaftet oder verfrüht?

Wer diese Fragen beantworten kann, vermeidet Fehlinvestitionen und positioniert sich als adaptives Unternehmen, das Chancen nutzt, ohne in technische Sackgassen zu geraten.


Ein Beispiel für KMU bis 1.500 Mitarbeiter

Nehmen wir an, ein produzierendes Unternehmen mit 800 Mitarbeitenden möchte KI strategisch einsetzen. Wie kann man das Risiko begrenzen und dennoch sinnvoll in KI investieren?

Was jetzt nützlich ist: Strukturierter Einstieg mit begrenztem Risiko und hohem strategischem Wert

Die Einführung von Künstlicher Intelligenz ist kein Technologieprojekt – sie ist ein Organisationsentwicklungsprozess. Der unten gezeigte Ansatz veranschaulicht exemplarisch wie mittelständische Unternehmen durch klare Strukturen, überschaubare Einstiegsinvestitionen und schrittweises Lernen wirksam, verantwortungsvoll und zukunftsfähig KI einführen können. Jeder der folgenden Schritte zahlt dabei direkt auf organisationales Lernen, digitale Reife und zukünftige Skalierbarkeit ein.

1. Regelmäßige extern moderierte „Potenzialanalyse-Workshops“ (PA)

Der Ausgangspunkt jeder erfolgreichen KI-Initiative sollte ein präzises Verständnis der eigenen Potenziale und Prioritäten sein. In professionell moderierten Workshops werden interne Prozesse, Datenquellen und Problembereiche strukturiert analysiert. Ziel ist es, sogenannte „niedrig hängende Früchte“ zu identifizieren: also Use Cases mit hohem Nutzen, geringem Reifegradbedarf und schneller Umsetzbarkeit.

Nutzen:

  • Frühzeitiger sichtbarer Mehrwert schafft interne Akzeptanz.
  • Vermeidung unnötiger Investitionen in komplexe oder unreife Anwendungsfelder.
  • Grundlage für eine strategisch gesteuerte KI-Einführung statt blindem Aktionismus.

2. Etablierung einer KI-Governance

Parallel zur Potenzialanalyse beginnt der Aufbau von Strukturen, Prozessen und Verantwortlichkeiten für den Umgang mit KI im Unternehmen. Das betrifft u. a. die Definition von Entscheidungspfaden, die Bewertung von Chancen und Risiken, ethische Leitplanken sowie die Kontrolle über Modellentscheidungen.

Nutzen:

  • Schafft Sicherheit im Umgang mit neuen Technologien.
  • Verhindert Wildwuchs und schafft Klarheit bei Zuständigkeiten.
  • Ermöglicht es, interne Prozesse mit regulatorischen Anforderungen (z. B. AI Act, Datenschutz) zu harmonisieren.

3. Begleitung des Kulturwandels

Technologische Veränderung gelingt nur, wenn sie von kulturellem Wandel begleitet wird. Es braucht Kommunikation, Transparenz und Beteiligung. Mitarbeitende müssen verstehen, wofür KI genutzt wird – und wofür nicht. Schulungen, interne Kampagnen und Dialogformate fördern Offenheit, reduzieren Unsicherheiten und stärken das Vertrauen in den Prozess.

Nutzen:

  • Reduziert interne Widerstände und Ängste.
  • Aktiviert verborgene Innovationspotenziale in Fachbereichen.
  • Unterstützt eine lernende Organisation, in der Experimente erlaubt und Fehler akzeptiert sind.

4. Schrittweise Umsetzung lohnenswerter Use Cases

Die aus der Potenzialanalyse hervorgehenden Anwendungsfälle werden in einer iterativen Roadmap priorisiert und umgesetzt. Der Fokus liegt auf praxisnahen Piloten, die rasch Ergebnisse liefern, aber skalierbar sind. Erfolgreiche Projekte dienen als Referenz und motivieren zur Ausweitung auf andere Bereiche.

Nutzen:

  • Klarer Return-on-Investment auf operativer Ebene.
  • Praktisches Erfahrungslernen innerhalb der Organisation.
  • Frühzeitiger Aufbau domänenspezifischer KI-Kompetenz.

5. Laufende Analyse des weiteren Bedarfs

KI-Einführung ist kein einmaliges Projekt, sondern ein dynamischer Entwicklungsprozess. Die kontinuierliche Beobachtung von Entwicklungen im Unternehmen, am Markt und in der Technologie ermöglicht es, neue Potenziale frühzeitig zu erkennen und zu integrieren.

Nutzen:

  • Sicherstellung langfristiger Relevanz der KI-Strategie.
  • Vermeidung blinder Flecken und sich entwickelnder Schatten-IT.
  • Ermöglicht eine agile Weiterentwicklung der gesamten KI-Landschaft.

6. Aufbau der Dateninfrastruktur

Parallel zur Use-Case-Entwicklung muss eine solide technische Basis geschaffen werden. Dazu zählen sichere Datenräume, standardisierte Schnittstellen, strukturierte Datenhaltung und geeignete Governance-Strukturen für Zugriff und Nutzung. Der Fokus liegt auf Skalierbarkeit, Sicherheit und Effizienz – nicht auf Großinvestitionen in Datenplattformen ohne konkreten Nutzungsplan.

Nutzen:

  • Reduziert Komplexität und fördert Wiederverwendbarkeit.
  • Ermöglicht schnelle Integration neuer Anwendungsfälle.
  • Schafft Vertrauen bei Stakeholdern (Datenschutz, Auditierung, Nachvollziehbarkeit).

7. Entwickeln von Partnerschaften

Gerade mittelständische Unternehmen profitieren enorm von strategischen Partnerschaften mit Technologieanbietern, Universitäten, Startups oder Beratungen. Der gezielte Zugang zu externem Wissen und Innovationen hilft, Ressourcen zu schonen und gleichzeitig auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Nutzen:

  • Schnellere Realisierung mit geringerem Ressourcenaufwand.
  • Zugang zu Best Practices und neuesten Entwicklungen.
  • Aufbau eines nachhaltigen Ökosystems für digitale Innovation.

Wovon eher abzuraten ist: Investitionen mit zu hoher Abstraktion oder unklarem Reifegrad

  • Automatisierung komplexer Entscheidungsprozesse, etwa im HR- oder Rechtssystem, wo ethische Fragen und Kontextverständnis entscheidend sind.
  • Großprojekte zur vollständigen Prozessautomatisierung, bevor überhaupt klar ist, ob sich der Prozess für KI eignet.
  • Investitionen in robotische Systeme mit adaptivem Greifen oder Navigation, wenn die Umgebungsbedingungen nicht ausreichend standardisiert sind – die OECD-Indikatoren zeigen klar, dass KI in diesen Bereichen noch nicht zuverlässig ist.

Die eigentliche Botschaft: Nicht abwarten – sondern gezielt in Fähigkeiten investieren

Die OECD-Studie ist kein Grund zur Resignation, sondern ein Plädoyer für kluge, evidenzbasierte Entscheidungen. Unternehmen, die jetzt:

  • ihre Prozesse strukturiert analysieren,
  • ihre Mitarbeitenden befähigen, mit KI zu arbeiten,
  • und KI nicht als Ersatz, sondern als Verstärker menschlicher Fähigkeiten begreifen,

werden mittel- und langfristig einen deutlichen Wettbewerbsvorteil haben – sowohl durch Produktivitätsgewinne als auch durch Innovationskraft und Arbeitgeberattraktivität.


Fazit: Strategie schlägt Geschwindigkeit

Wer heute hektisch investiert, läuft Gefahr, morgen nachzurüsten. Wer aber gezielt Capabilities entwickelt – technologisch wie menschlich – kann mit jedem KI-Fortschritt wachsen.

KI ist kein Zauberstab. Aber sie ist auch keine ferne Zukunft. Sie ist ein Werkzeug, das gerade gelernt hat zu laufen – und nun zeigt sich: Wer es führen kann, führt auch den Wandel.


Zum Stand der Daten der OECD Studie

  • Die Expertenbewertungen und Einordnungen in den 5-stufigen Skalen basieren auf einer umfassenden Literatur- und Benchmarkanalyse, die bis Ende 2024 durchgeführt wurde.
  • Berücksichtigt wurden aktuelle Systeme wie GPT-4o, DeepSeek R1 V3, AlphaZero und autonome Roboter, wie sie zu diesem Zeitpunkt dokumentiert, getestet und publiziert waren.
  • Die Indikatoren wurden von über 50 führenden Expertinnen und Experten aus den Bereichen KI, Psychologie, Robotik und Bildungsforschung gemeinsam erarbeitet und durch einen strukturierten Peer-Review-Prozess im Spätherbst 2024 validiert.