Buchbeitrag zur Agilität in Unternehmen mit Scrum und OKR

Dieser Beitrag wurde zuletzt am 2. Mai 2017 aktualisiert.

Unser Vorstandsmitglied Hans-Jörg Vohl hat Anfrang April einen Buchbeitrag zum Thema Einführung von agilen Methoden (Scrum und OKR = Objectives & Key Results) in Unternehmen verfasst. Der Beitrag wird im Herbst 2017 in einem Buch zur “Veränderungsintelligenz” von Unternehmen im Springer Verlag erscheinen.

Für Vereinsmitglieder wird im Juli ein Beitrag zu diesem Thema unter den Best Practice Beispielen im Mitgliederbereich zum Download zur Verfügung stehen.

Hier eine Leseprobe

“Die steigende Komplexität und Veränderungsgeschwindigkeit scheint den Bedarf für agile Methoden zur Umsetzung von Veränderungen zu begünstigen. Die stark steigende Nachfrage und Anwendung von agilen Ansätzen belegt das eindrucksvoll.

Doch es zeigt sich, dass das Verstehen von agilen Methoden nicht ausreicht um diese auch erfolgreich einzuführen. Agilität unterliegt einem Widerspruch, denn sie erfordert auch ein hohes Maß an Veränderungsbereitschaft, die sie gleichermaßen erst schaffen soll.

Zusätzlich stellt sich die Frage wie es gelingen kann, dass auf dezentrale Organisation und Verantwortung angelegte Strukturen erfolgreicher sein können als hierarchische Strukturen deren Vorteil gemeinhin in einer besonderen Effizienz gesehen wird?

Die Antwort ist wohl darin zu suchen, dass Effizienz in Zeiten einer hohen Komplexität nicht alleine die richtigen Antworten auf die Richtung und Gestaltung von grundsätzlichen Veränderungen geben kann.

Diese Fragen werden Ihnen im folgenden Kapitel beantwortet:

  • Wann ist es sinnvoll agile Methoden einsetzen und wann sind klassische Methoden überlegen?
  • Wie können die erfolgreichen agilen Ansätze im Projektmanagement auch auf Linienorganisationen übertragen werden?
  • Warum haben agile Methoden oft sehr genaue Zeitpläne und Rituale für Meetings, obwohl sie doch kreative Freiräume zur Entwicklung von Ideen und Lösungen bieten sollen?
  • Wie kann die Einführung von Agilität gelingen und was ist dabei besonders zu beachten?
  • Was sind die besonderen Anforderungen an das Management und die Mitarbeiter um agil erfolgreich zu sein?

Grundelemente von Agilität

Wenn große Veränderungen in schwierige Fahrwasser geraten lautet ein Ergebnis der Ursachenanalyse meist: „Es wurde zu wenig kommuniziert”. Wie aber können die zentralen Mitarbeiter noch mehr kommunizieren, wenn endlose Meetings bereits ganze Arbeitstage auslasten?

Das richtige Ergebnis der Ursachenanalyse müsste wohl besser lauten: „Es muss mehr zielgerichtet und lösungsorientiert sowie nicht nur zwischen Schlüsselpersonen kommuniziert werden”. Denn Veränderungen in einem komplexen Kontext entziehen sich, das wurde bereits erläutert (vgl. Kapitel 2), einer analytischen Planung. Eine stabile, rationale Planung ist nur möglich, wenn das notwendige Wissen vorab vorliegt, in dynamischen Märkten, Unternehmen oder Projekten entspricht das jedoch meist nicht der Realität.

Deswegen müssen Organisationen, die neue Wege gehen, lernfähig sein und das erlernte Wissen schnell teilen und anwenden. Hierfür ist ausreichend zielgerichtete Kommunikation und das teilen von Wissen in kurzen Abständen notwendig. Gleich einem Menschen, der sich im Dunkeln auf unbekannten Territorium bewegt, müssen auch bei Veränderungen mit ausgestreckten Händen kleine Schritte gemacht werden um rechtzeitig zu steuern bevor der Kopf gegen einen harten Widerstand stößt.

Das ist im Kern der Rahmen für agiles Projektmanagement oder auch für agile Strukturen in Unternehmen: Es werden schnell Erfahrungen gemacht und mit anderen geteilt um durch schnelle, abgestimmte Anpassungen größere Schäden zu vermeiden. Aufgrund der bereits beschriebenen Veränderungen und der Veränderungsgeschwindigkeit stehen agile Vorgehensweisen heute bei Unternehmen zur Vermeidung schwerwiegende Unfälle auf neuen Wegen hoch im Kurs.

Wirtschaften unter stabilen und planbaren Rahmenumständen lebt von den Vorzügen der tayloristischen[1] Organisation, die auf Arbeitsteilung, Spezialisierung und Massenproduktion basiert. Dadurch sind immense Effizienzvorteile möglich, die die Grenzkosten von vielen Produkten gegen Null tendieren lassen. Deshalb verwundert es auch nicht, wenn das Erfolgsmuster Effizienz für viele Verantwortliche starke Anziehungskraft besitzt. In Zeiten von großen Veränderungen und vielen Unbekannten gibt es jedoch weitere Notwendigkeiten: Nicht die Effizienz (machen wir die Dinge richtig und besser als die Konkurrenz?), sondern die Effektivität (machen wir die richtigen Dinge und vor der Konkurrenz?) rückt in den Vordergrund.

Dieser organisatorische Paradigmenwechsel – der selbstverständlich ganz im Sinne der Ambidextrie mit der Effizienz für bereits bewährte Verfahren kombiniert werden kann – fällt vielen Unternehmen schwer, da über lange Jahre bestehende Erfolgsmuster geändert oder ergänzt werden müssen um neue Lösungen zu (er-)finden. Das grundsätzliche Verständnis für die Notwendigkeit und Ausprägung der agilen Elemente ist dabei meist nicht die größte Hürde, es ist das Einüben und Leben der Agilität, das den herkömmlichen Mustern in vielen Teilen widerspricht[2]. Bestehende Muster geben uns Sicherheit, neue Muster erlernen bedeutet immer ein gewisses Maß an Verunsicherung und Verlust von (sicher geglaubter) Kompetenz. Das Ausbrechen aus bestehenden Mustern erfordert Mut und Zuversicht, ein Grund warum oftmals von einer agilen Haltung oder Kultur und nicht von agilen Methoden gesprochen wird. Für den Erfolg ist es mindestens ebenso notwendig, den Schraubenschlüssel richtig anwenden zu können wie das richtige Werkzeug in der Hand zu halten. In diesem Kapitel gehe ich deshalb sowohl auf die Auswahl des richtigen Werkzeugs, als auch auf dessen sachgemäßen Gebrauch, ein.

(…)

[1] Nach Frederick Winslow Taylor (1856–1915) dessen Ziel die Steigerung der Produktivität menschlicher Arbeit ist. Dies geschieht durch die Teilung der Arbeit in kleinste Einheiten, zu deren Bewältigung einfache Denkvorgänge zu leisten und die aufgrund des geringen Umfangs bzw. Arbeitsinhalts schnell und repetitiv zu wiederholen sind.
[2] In der englischsprachigen Literatur findet man oft die Formulierung „agility is easy to understand but difficult to master“ (Agilität ist leicht zu verstehen, aber schwierig zu meistern).